Ein Projekt der Synagogen-Gemeinde Köln und der Landesverbände
der Jüdischen Gemeinden von Nordrhein und Westfalen-Lippe
durchgeführt vom NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln
Lebensgeschichten jüdischer Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion
in Nordrhein-Westfalen

Истории жизни еврейских иммигрантов, приехавших из бывшего Советского Союза и поселившихся
в федеральной земле Северный Рейн-Вестфалия

Mark Benderski

Mark Benderski kam am 23. April 1931 als einziges Kind einer jüdischen Arbeiterfamilie in der Stadt Shitomir in der nördlichen Ukraine auf die Welt. Der 1889 geborene Vater arbeitete als Dachdecker, die Mutter (Jahrgang 1906) war Hausfrau. Mark Benderski hatte 1941 gerade die vierte Klasse abgeschlossen, als der Krieg begann. Shitomir gehörte zu den Städten, die schon in den ersten Tagen nach dem Überfall der deutschen Wehrmacht auf die Sowjetunion bombardiert wurden. Kurz vor dem drohenden deutschen Einmarsch im Juli 1941 entschlossen sich Marks Eltern zur Flucht. Zusammen mit den Großeltern mütterlicherseits, zwei Schwestern (die jüngere war schwanger) und einem Schwager der Mutter sowie zwei Cousinen gelang es der Familie Benderski, mit einem der letzten Züge aus Shitomir zu fliehen; auf der Fahrt wurde der Zug mehrfach bombardiert. Über Kiew und Woronesh gelangte Mark mit seiner Familie in die Kleinstadt Semiluki – die erste Evakuierungsetappe. Schon um die Jahreswende 1941/42 musste die Familie aufgrund des deutschen Vormarsches erneut evakuiert werden. Nach einer mehrwöchigen Zugfahrt gelangten sie über die Wolga, den Ural, Kasachstan, den Aralsee, Ksyl-Orda, die Wüsten Karakum und Kysylkum in die Stadt Andishan (Andijon) in Usbekistan. Dort wurde der ganzen Familie eine primitive Unterkunft zugewiesen. Aufgrund des unverträglichen Essens erkrankten fast alle Familienmitglieder in der Folgezeit an schwerem Durchfall. Kurz hintereinander starben der Großvater und der Onkel an Entkräftung. Die jüngere Tante verstarb kurz nach der Geburt ihrer Tochter; schließlich kamen auch das Baby und die Großmutter um. Der 53-jährige Vater wurde wenige Monate nach der Ankunft in Andishan zur Arbeitsarmee einberufen; zurück blieben Mark, seine Mutter und die ältere Tante sowie die zwei Cousinen.
Mutter und Tante fanden Arbeit in einer Nähfabrik und konnten so die Familie ernähren, während Mark und seine ältere Cousine die Schule besuchten. Ende 1943 wurde der Vater aus der Arbeitsarmee entlassen und konnte zu seiner Familie zurückkehren. Ende 1944 machte sich die Familie auf den beschwerlichen Heimweg in die Ukraine. Auch die Nachkriegsjahre in Shitomir waren von Entbehrungen geprägt.
1949 machte Mark Benderski seinen Schulabschluss und nahm ein Studium der Geschichte an den Pädagogischen Hochschulen in Lwow und Shitomir auf. Nach dem Studienabschluss 1953 arbeitete er als Lehrer. 1961 heiratete er Anna Kogan. Die gemeinsame Tochter Tatjana lebt heute mit ihrer Familie in den USA. Bis zu seiner Ausreise nach Deutschland arbeitete Mark Benderski in Kiew in einer Förderschule mit Internat für schwer erziehbare Kinder.
Ende 1992 übersiedelten Mark Benderski und Anna Kogan nach Köln. Trotz der Bedenken seiner Frau, die viele Familienmitglieder durch Krieg und Holocaust verloren hatte, entschieden sie sich auf seinen Wunsch hin für Deutschland. Hier engagieren sie sich schon seit vielen Jahren im „Lern- und Gedenkort Jawne“.