Ein Projekt der Synagogen-Gemeinde Köln und der Landesverbände
der Jüdischen Gemeinden von Nordrhein und Westfalen-Lippe
durchgeführt vom NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln
Lebensgeschichten jüdischer Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion
in Nordrhein-Westfalen

Истории жизни еврейских иммигрантов, приехавших из бывшего Советского Союза и поселившихся
в федеральной земле Северный Рейн-Вестфалия
  1. Eines Tages aber, der Krieg war noch in vollem Gange… So verging die zweite Septemberhälfte, der Oktober und die erste Novemberwoche. Mir ging es sehr schlecht, ich erhielt den Auftrag, zu einem Regiment zu kommen. Ich verlangte, den Brief (des Stabs) zu beantworten. Er (der Regimentskommandeur) schaute mich an: „Leg dich unter den Tisch!“ Ich war beinahe am Sterben.
  2. Er gab mir nach einer Stunde die Antwort und ich bin per Anhalter… Ich meldete mich bei meinem Oberst Nadjoshin: „Der Auftrag ist erledigt! Das ist die Antwort.“ Er schaute mich an und befahl: „Zum Sanitäter!“ Ich wurde gleich dahin gebracht, ich hatte 40 Grad Fieber. Es war im November, und eine junge Frau sagte: „Waschen Sie sich, da ist die Dusche.“
  3. Ich sagte: „Ich habe doch 40 Grad Fieber.“ Sie ließ mich neben den anderen liegen. Ich blieb eine Woche da, sie konnten nichts machen, denn es war absolut unklar, was ich hatte. Ich kam dann in einen Sowchos, wo… Wie heißt es noch? Da war ein Lazarett. Der Chef da war ein Georgier. Er ist mir dadurch in Erinnerung geblieben, dass alle Wein bekamen, ich auch. Und er sagte jedes Mal: „Auch ihm.“
  4. Ich konnte gar nichts essen, alles wurde erbrochen. Sie konnten mich auch nicht da lassen, ich wurde nach Kuibyschew verlegt. Nein, nicht Kuibyschew… Kamyschin, das ist die Stadt. Da kam ein Arzt zu mir, er sprach mit mir. Er sagte: „Wir sind ratlos und müssen Sie nach Sysran (transportieren).“
  5. In Sysran befand sich das Hospital aus Poltawa, sehr gut ausgestattet. So kam ich ins Hospital in Sysran. Tag um Tag vergingen, man war absolut ratlos. Ich schrieb Briefe nach Hause und bat, mir postlagernd zu schreiben. Von meiner Krankheit schrieb ich kein Wort.
  6. Schließlich sah ich, dass ich nur noch aus Haut und Knochen bestehe. Ich rief eine Krankenschwester und sagte: „Mein Geld ist da und da. Ich bitte Sie, einige Postkarten zu kaufen.“ – „Wozu das?“ – „Ich schreibe alle Karten, und du wirst sie nach und nach abschicken.“ Ja, ich wollte es irgendwie…
  7. Ja, ich spürte schon, dass ich… Und plötzlich, wie kam das nur, hatte ich einen unglaublichen Hunger. Es stellte sich heraus, dass es das Schützengrabenfieber war. Viele waren daran erkrankt. Der Arzt fragte mich, was ich an der Front gemacht hätte. Ich sagte: „Ich arbeitete im Stab.“ – „Im Stab? Wo kommt diese Krankheit dann her?“
  8. Ich sagte: „Ich saß keinen einzigen Tag im Stab, ich war die ganze Zeit in den Schützengräben. Wie ist der Befund?“ – „Der Befund heißt Krieg.“ Also, ich begann zu genesen, es ging sehr schnell. Die Einzelheiten darüber erwähne ich nicht.
  9. Schließlich kam die Ärztin zu mir: „Morgen gibt es eine Untersuchung. Sie waren sehr schwer krank. Ich werde vorschlagen, Sie von dem Dienst bei den Kampftruppen zu befreien.“ Ich war erschrocken, denn wenn ich den Anschluss verloren hätte… Ich war bei der Garde, alle Entlassenen aus den Hospitälern mussten unbedingt zurück. Ich sagte: „Um Gottes Willen, bitte nicht.“ Sie hörte auf mich, und ich wurde nach Saratow abkommandiert.