Ein Projekt der Synagogen-Gemeinde Köln und der Landesverbände
der Jüdischen Gemeinden von Nordrhein und Westfalen-Lippe
durchgeführt vom NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln
Lebensgeschichten jüdischer Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion
in Nordrhein-Westfalen

Истории жизни еврейских иммигрантов, приехавших из бывшего Советского Союза и поселившихся
в федеральной земле Северный Рейн-Вестфалия
  1. Die Reaktion auf den Kriegsausbruch im Gosplan: Alle Männer meldeten sich für das Volksaufgebot. Ich meldete mich natürlich auch. Die erste Zeit verging, irgendwann im Juli wurden die Familien der Gosplan-Mitarbeiter evakuiert. Sie kamen in einen Sowchos bei Kasan, er hieß „Die rote Quelle“.
  2. Am Tag, als meine Frau schon abfahren wollte – sie und ihre Mutter, zusammen mit Venja… An diesem Morgen wurde mir mitgeteilt, ich müsse als Angehöriger des Volksaufgebots im Park Eremitage erscheinen. Ich nahm Abschied von ihnen und fuhr dorthin, ich war beim Volksheer.
  3. Der Kommandeur zählte die Leute ab und hörte beim dritten Mann vor mir auf. Alle anderen mussten an die Front. Und wir mussten warten: „Gehen Sie arbeiten!“ Ich lief schnell zu meiner Frau und schaffte es, sie zum Schiff zu bringen. So nahm ich Abschied (von der Familie).
  4. So blieb ich alleine und verbrachte Tage und Nächte im Gosplan. Es war sehr schrecklich, als die Deutschen ganz nahe an Moskau herankamen und es (mit dem Feldstecher) sahen. Und natürlich beschloss Stalin, alle Regierungsbehörden zu evakuieren.
  5. Ich möchte etwas über meinen Bruder sagen: Mein Bruder war Maler und sagte zu mir, dass die Redaktion von „Pionerskaja Prawda“ auch evakuiert werde. Ich könne wohl mit. Wir saßen und warteten auf die Anweisung, zum Bahnhof zu fahren. Plötzlich rief er mich bei Gosplan an: „Ich bin nicht dabei, weil ich als Maler nicht festangestellt bin.“
  6. Ich sagte: „Komm sofort zu mir!“ Ich ging zu meinem Chef und flehte: „Um Gottes willen, er ist zwar nicht alt, aber krank. Er kann nicht da bleiben.“ Er stellte seinen Namen auf die Liste. Mein Bruder kam und so fuhren wir nach Kuibyschew, Samara.
  7. Übrigens, seine Frau und Kinder waren vorher evakuiert worden, ausgerechnet nach Kuibyschew. Also, das kam sehr gelegen. Er litt aber sehr, weil er keine Arbeit hatte. Er traf jemanden von der „Pionerskaja Prawda“ in Kuibyschew und der sagte: „Wir sind jetzt in Kasan, ich werde dich…“
  8. Und er fuhr nach Kasan, so war es. Und im Gosplan… Ich muss sagen, es herrschte Hunger, das war der blanke Horror. Es gab kolossale Warteschlagen, um ein Butterbrot zu bekommen. Das war Horror. Der Horror hörte Anfang 1942 auf, als Gosplan und andere Regierungsbehörden… Die Deutschen wurden zurückgedrängt, und wir kehrten zurück. Ja, so lief das.