Ein Projekt der Synagogen-Gemeinde Köln und der Landesverbände
der Jüdischen Gemeinden von Nordrhein und Westfalen-Lippe
durchgeführt vom NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln
Lebensgeschichten jüdischer Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion
in Nordrhein-Westfalen

Истории жизни еврейских иммигрантов, приехавших из бывшего Советского Союза и поселившихся
в федеральной земле Северный Рейн-Вестфалия
  1. Mein Vater beschloss, nach Wilna zu fahren. Das waren da zwar schon sowjetische Leute in einer sowjetischen Republik, Reisefreiheit gab es aber immer noch nicht. Wir brauchten eine Genehmigung für die Fahrt dahin. Mein Vater setzte die Reise an für den nächsten Sommer nach der Befreiung. Er wollte Urlaub nehmen, der am 22.6.1941 beginnen sollte, weil es ein Sonntag war. Ich glaube, mein Vater und ich wollten am 19. abreisen.
  2. Die Mutter sollte in Moskau bleiben, weil sie wegen Problemen auf der Arbeit keinen Urlaub nehmen konnte. Mein Vater und ich brauchten eine Genehmigung, sie wurde polizeilich erteilt. Ich weiß noch ganz genau, wie wir deswegen zur Polizei gingen. Da saß ein mürrischer Polizeihauptmann. Er sagte: „So. Ihr werdet nicht am 19. fahren, sondern am 26.“ „Aber was ist mit den Fahrscheinen?“ – „Die Fahrscheine werden am Bahnhof umgetauscht.“
  3. Er setzte einen Stempel drauf und basta. Dass er uns retten wollte oder den Zeitpunkt des Kriegsausbruches kannte, davon kann keine Rede sein. Er hatte einfach seine Quoten, die an diesem Tag zu unserem Glück ausgeschöpft waren. Entsprechend hätten wir erst am 26. nach Wilna fahren sollen. Am 26. marschierten (aber) die deutschen Truppen in Wilna ein.