Ein Projekt der Synagogen-Gemeinde Köln und der Landesverbände
der Jüdischen Gemeinden von Nordrhein und Westfalen-Lippe
durchgeführt vom NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln
Lebensgeschichten jüdischer Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion
in Nordrhein-Westfalen

Истории жизни еврейских иммигрантов, приехавших из бывшего Советского Союза и поселившихся
в федеральной земле Северный Рейн-Вестфалия
  1. Wir gingen über Borissow wieder ins Gebiet Smolensk, nach Smolensk. Wo sollten wir hin, ringsum war alles furchtbar. In Borissow kam ein Mädchen auf uns zu, Mama erzählte später, dass sie etwa sieben war. Sie sagte: „Juden, warum tragt ihr keine Armbinden?“ Mama war sehr erschüttert, das war ja ein siebenjähriges Mädchen.
  2. Wir gingen über Borissow wieder ins Gebiet Smolensk, nach Smolensk. Wo sollten wir hin, ringsum war alles furchtbar. In Borissow kam ein Mädchen auf uns zu, Mama erzählte später, dass sie etwa sieben war. Sie sagte: „Juden, warum tragt ihr keine Armbinden?“ Mama war sehr erschüttert, das war ja ein siebenjähriges Mädchen.
  3. Wissen Sie, wir gingen so lange, bis ich nicht mehr konnte. Meine Schwester war älter und kräftiger. Ich war im Oktober fünf geworden, und mein Körper… Erstens hatte ich einen schrecklichen blutigen Durchfall. Mein Körper war mit einer eitrigen Kruste bedeckt, besonders die Hände. Und meine Zunge und das Gesicht waren verkrustet, das war blanker Horror – kein Mensch, sondern ein Monster. Das kam von all dem…
  4. Eine Frau ließ uns zu sich herein, das war in Sutoki, Landkreis Rudnja. Da waren die Deutschen einquartiert. Ich weiß sogar noch, wie ich auf Lappen auf dem Boden lag, als ein Deutscher hereinkam. Mama zog die Decke weg, und er wankte zurück.
  5. D.h. das war ein unmöglicher Anblick. Ich ging zu Grunde, denn ich konnte nicht mehr essen. Man öffnete meinen Mund und tröpfelte die Milch hinein. Die Frau in diesem Dorf, sie hieß Tante Sonja, behandelte mich. Ich wurde eingesalbt u.a. Kurz gesagt, sie heilten mich, ich begann zu essen und hatte es warm. Wir überwinterten bei ihr, ihr Name war Sofja Tschurilina.
  6. Um dort zu leben – es war ja besetztes Gebiet –, brauchte man einen Ausweis. Meine Mutter ging zum Dorfältesten und sagte, sie wäre ein Flüchtling aus Smolensk und alle ihre Sachen wären verbrannt.
  7. Sie legte sich den Namen Kowalenko zu, ihr Mädchenname wäre Pribytkina. Mama sah absolut nicht jüdisch aus. Er gab uns ein Papier, das erlaubte, sich da aufzuhalten: Wir hatten einen Ausweis.
  8. Und er sagte Mutter – er war ein Lehrer, der den Deutschen diente –: „Ich weiß, dass du Jüdin bist. Du darfst aber wegen der Kinder leben.“ Das hat uns auch gerettet.